| ****** 1977 tobte in England gerade die Punkrevolution und die New Wave in gerade an den Start. Junge, unbekümmerte Gruppen wie The Sex Pistols, The Clash, The Damned, Adverts etc. brachten frischen Wind in die festgefahrenen Strukturen der Rockmusik, die seit Jahren auf der Stelle trat. Da gab es für die internationalen Musikkritiker wichtigere Dinge, als sie mit dem neunten Yes-Album Going zu beschäftigen. Und wenn sie dies taten, dann hagelte es Verrisse. Allerdings standen Yes zu jenem Zeitpunkt mit diesem Problem nicht alleine da, denn auch klassische Gruppen wie Pink Floyd und Genesis mußten mit den hämischen Kommentaren gehässiger Kritiker leben. Yes konnten damit allerdings leben, tat diese negative Berichterstattung ihrer Popularität keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, landeten sie ausgerechnet in diesem Jahr mit Wonderous Stories ihren größten Singlehit in den 70er Jahren. Das in der Besetzung Jon Anderson (Gesang), Steve Howe (Gitarre), Rick Wakeman (Piano, Keyboards), Chris Squire (Baß, Gesang) und Alan White (Schlagzeug) eingespielte Album Going For The One bietet keine musikalischen Überraschungen, zeigt in fünf teilweise sehr langen Stücken all das auf, was Yes zu einer der Supergruppen der 70er Jahre gemacht hat: Komplexe, ausgeklügelte Songstrukturen mit raffinierten Melodiewindungen, der Platz für ausgedehnte Improvisationen bietet; ein sehr dichter Rhytmusteppich aus Baß und Schlagzeug, über denen sich Jon Andersons sehr markanter Gesang geradezu majestätisch erhebt. Entscheidenden Anteil am sehr dichten Sound hat Pianist und Keyboarder Rick Wakeman. Er hatte die Gruppe 1973 verlassen, um sich auf seine Solokarriere zu konzentrieren. Sein Nachfolger, der Schweizer Patrick Moraz, ebenfalls ein hervorragender Tastenspieler, konnte die Lücke, die Rick Wakeman hinterlassen hatte, nicht ganz schließen. Nachdem Ricks Solokarriere nicht so verlief, wie er sich eigentlich vorgestellt hatte, kehrte er zur Jahreswende 1976/77 reumütig zu Yes zurück (woraufhin Patrick Moraz die Gruppe wieder verlief). Fast untypisch beginnt das Album mit dem Titelsong Going For The One. Hier schlagen die Herren Anderson, Wakeman, Howe, Squire und White ungewohnte RockNRoll-Töne an. Ganz nach Yes klingt dagegen Turn The Century. Jon Andersons Gesang, Rick Wakemans verhaltenes Keyboardspiel und Steve Howes Gitarrenspiel verleihen dem Stück eine verträumte, leicht melancholische Atmosphäre. In Parallels spielen Yes den für sie charakteristischen Bombastrock. Getragen wird das Stück durch Steve Howes teilweise kreischender Gitarre und einer Kirchenorgel (!). Das Yes mit ihrem sehr dichten Sound auch kommerzielle Pfade beschreiten können, beweisen sie mit dem bereits erwähnten Wonderous Stories. Das Stück ist typisch für die Gruppe, trotzdem gelingt es ihnen, ihren sehr dichten, anspruchsvollen Sound in ein für ein großes Publikum interessantes und attraktives Gewand zu packen. Obwohl das Stück für einen Singletitel fast wieder zu anspruchsvoll ist, konnten Yes damit im Oktober 1977 in England einen Top 10 Hit landen. Der Rest des Albums wird durch das 15:38 Minuten langen Awaken ausgefüllt. Wer eine Affinität zu ausladenden Artrock hat, der wird dieses Stück lieben. Awaken mutet an wie ein intensiver, schöner Traum: Lange, von Gitarre, Keyboards und Gesang Melodiewindungen werden abgelöst von verträumten, sakral anmutenden Instrumentalpassagen (die ebenso Parallels in der St. Martins Kirche im schweizerischen Vervey eingespielt wurden). Awaken kann man eigentlich schwer beschreiben, man muß dieses Stück einfach einmal mit geschlossenen Augen unterm Kopfhörer genießen und auf sich einwirken lassen. Für mich ist dieses Stück eines der Glanzlichter im Gesamtwerk der Gruppe. Wie überhaupt das ganze Album m.E. eines ihrer stärksten Werke überhaupt ist. Die Mehrheit der Musikkritiker, die seinerzeit Going For The One in der Luft zerrissen haben, wissen nicht, was für ein grandioses Werk sie grundlos mit Häme überschüttet haben. Wer Yes einmal kennenlernen möchte, der kann das bedenkenlos mit diesem Album machen. Es ist die beste musikalische Visitenkarte für Yes. |
| ***** Ich kann nur bestätigen, was Voyager2 in seinem sehr gutem Review schreibt. Habe mir regelmäßig den Musikexpress und gelegentlich auch Sounds gekauft, was damals die beiden bekanntesten Musikzeitschriften in D waren. Als Punk und kurz darauf New Wave in Mode kamen, fanden die Musikkritiker an den 'alten' Bands kein gutes Haar mehr. Ihre Alben wurden regelrecht verrissen, stattdessen wurde fast jede meist mäßig bis saumäßige LP dieser neuen Punkbands über den grünen Klee gelobt. Damit will ich nicht die gesamte Punk-Bewegung verdammen. Bands wie 'The Stranglers', 'Clash' oder 'The Damned' zeigten, dass sie musikalisch doch etwas mehr drauf hatten als die meisten anderen dieser Gruppen, die auch meist schnell wieder von der Bildfläche verschwanden. <br> <br>Nun aber zum eigentlichen Review. Mit den beiden Stücken 'Going For The One' und 'Parallels' machte Yes zwar nicht gerade Punk-Musik, aber sie versuchten doch dem Zeitgeist ein wenig entgegenzukommen, indem sie ihren Sound entschlackten und rockiger und bodenständiger klangen als auf den eher abgehobenen Vorgänger-Alben 'Close To The Edge', 'Tales from Topographic Oceans' oder 'Relayer'. Das ist insbesondere beim Titelsong vorzüglich gelungen. Der Single-Hit 'Wonderous Stories' atmet dann jedoch eher wieder den typischen Yes-Geist alter Schule, allerdings so raffiniert eingängig gemacht, dass er den Weg in die britischen Top10 fand. Auch bei dem wundervollem, sensiblem 'Turn Of The Century' und dem über 15-minütigen 'Awaken' wurden die Erwartungen der 'alten' Yes-Fans erfüllt.<br> <br>Fazit: zwar versuchte die Band behutsam neue musikalische Wege zu gehen, trotzdem waren die Veränderungen noch nicht so gravierend um die Fans zu vergraulen, was auch die guten Chartspositionen des Albums (1977 #1 in UK, #8 in USA und #6 in D) bestätigen. Meine Bewertung: 5+. <br><br> |