****** Auch 6 Jahre nach dem Ende der Fab-Four rissen die Spekulationen um eine Reunion nicht ab. Die Musikwelt und die Fans der Beatles hätten sich mit Sicherheit über eine Neuauflage gefreut, während die Musiker allerdings keinen Gedanken daran verschwendeten. Warum sollten sie auch, denn ihre Soloprojekte der letzten Jahre liefen blendend, hatte doch jeder von ihnen mindestens einen Nummer 1 Hit in den vergangenen Jahre gelandet. Außerdem dürfte eine Wiedervereinigung auch nicht gerade im Sinne ihrer Plattenfirma gewesen sein (bis 1975 veröffentlichten sie ihre Scheiben auf dem eigenen Label Apple, ein Unterlabel der EMI), denn neben den Soloplatten verkauften sich auch noch die Werke der Beatles nach wie vor blendend. Statt einmal konnte die Plattenfirma nun fünffach abkassieren. 1976 gab es Apple-Records nicht mehr und der einzige Ex Beatles, der bei einem EMI Unterlabel unter Vertrag war, war Paul McCartney mit seiner Gruppe Wings (Ringo wechselte nach dem Ende von Apple zu Polydor, Georges eigenes Label Dark Horse wurde ab 1976 von Warner Brothers vertrieben und John hatte sich 1975 für einige Jahre aus dem Showgeschäft zurückgezogen). Die Verluste von Ringo und George konnte die EMI verkraften, denn die Erfolge der beiden spielte sich in überschaubaren Rahmen ab, und das überwiegend in den USA. Immerhin konnten sich Ringo und George auf ihre amerikanischen Fans verlassen. Einzig Paul konnte nach wie vor gigantische Erfolge erzielen. Wenn man sich einmal die Musik seiner Gruppe Wings jener Zeit anhört, weiß man auch warum. Die Gruppe bot zeitweise einen derart mitreißenden Poprock, der in seinen besten Momenten der Musik der Beatles ebenbürtig war. Mit dem 76er Album Wings At The Speed Of Sound knüpften Paul, Linda, Denny Laine, Jimmy McCulloch und Joe English nahtlos an die Klasse der erfolgreichen Vorgängerwerke Band On The Run und Venus And Mars an. Das Album beginnt mit dem über 5 Minuten langen Let em In. Das Stück an für sich ist grandios, nur wirkt es etwas lieblos eingespielt und Pauls Gesang wirkt gequält und lustlos (welches Potential in dieser Nummer steckt, bewies knapp ein Jahr später der amerikanische Soulsänger Billy Paul mit seiner Version, die als Single im Mai 1977 immerhin bis in die englischen Top 20 kam). Immerhin, Let em In ist toll arrangiert und verfügt über enorme Ohrwurmqualitäten. Als zweite Singleauskopplung war das Stück im Spätsommer 1976 ein internationaler Hit (u.a. Top 10 in England und den USA). Fast Pink-Floyd-mäßig beginnt The Note You Never Wrote, eine starke Ballade mit leichten Streichereinlagen. Hier singt zur Abwechslung mal nicht Paul sondern Denny Laine. Nicht ganz so stark ist das poppige Shes My Baby, das eher wie ein Albumfüller wirkt. Eine ganz starke Nummer ist indes Beware My Love, der musikalisch etwas an Supertramp erinnert. Hier spielt Paul seine ganzen Stärken als Komponist, Musiker und Produzent voll aus. Ebenfalls klasse ist Wino Junko aus der Feder von Jimmy McCulloch, der hier als Sänger agiert. Wino Junko ist ein unspektakuläres, sehr entspanntes Stück, das sich bestens für die Nachtprogramme diverser Radiosender bestens eignet. Silly Love Songs ist einer jener angesprochenen Momente, der an die besten Momente der Beatles anknüpft. Das fast 6 Minuten lange Stück ist raffiniert arrangiert und besticht vor allem durch die tollen Bläasersätze in den Instrumentalteilen. Silly Love Songs war Pauls Antwort auf John Lennon, der in einem Interview über Paul bemerkte, daß dieser doch nur dumme Liebeslieder schreibe, die kein Mensch hören wolle. Da hatte sich der geniale John aber gründlich geirrt, denn genau diese Art von Liebeslieder wollte das Publikum in der zweiten Hälfte der 70er Jahre hören. Im Sommer 1976 war Silly Love Songs ein internationaler Tophit, u.a. Nr. 1 in England und den USA. Musikalisch etwas völlig anderes ist Cook At The House, gesungen von Linda. Musikalisch erinnert der Titel mit seinen Honky-Tonk- und 50er Jahre R&B-Einlagen an die Nummern der frühen Beatles. Zwar ist Cook At The House kein Highlight im Gesamtwerk Paul McCartneys, garantiert aber gute Laune. Zeitgemäßen Mid-70s Rock bietet Time To Hide, geschrieben und gesungen von Denny Laine. Wäre Denny nicht ein so lausiger Sänger, wäre Time To Hide eine Riesennummer. Must Do Something About It ist ein typische McCartney Poprocknummer, die von Joe English gesungen wird. Das recht sympathische Stück fällt zwar nicht weiter auf, stören dürfte es aber auch niemanden. Ebenfalls unauffällig ist das leicht folk-beeinflußte San Ferry Anne. Warm And Beautiful ist eine jener schmachtenden McCartney Balladen, die seine Fans zu schätzen wissen (die CD Version von Wings At The Speed Of Sound bietet als Bonustracks Walking In The Park With Eloise und Bridge On The River Suite beide Titel hat Paul im Sommer 1974 mit diversen Gastmusikern in Nashville eingespielt-, sowie mit dem prächtigen Sally G die B-Seite seines 74er Hits Juniors Farm). Alles in allen ist Wings At The Speed Of Life ein sehr gutes Album, auch wenn es nicht ganz die Klasse von Band On The Run und Venus And Mars erreicht. Dafür enthält es aber mit Silly Love Love einen der besten McCartney Songs überhaupt. Für Macca Fans ist dieses Album Pflichtprogramm. |